Emigration - Die Familie Luis
Giosia Luis (1852 - 1918) GESCHICHTE DER EMIGRATION NACH CHILE VON GIOSIA LUIS (1850-1918)
Beitrag Patrik Luis
 

Die am besten bekannte Geschichte über die Herstellung von Schokolade im Valle di Blenio ist ohne Zweifel jene der Cima Norma in Torre. Eine weitere Geschichte, jedoch, in der Blenieser eine entscheidende Rolle in der Kunst der Schokoladenherstellung innehatten, spielte sich in Chile, Südamerika, ab und hat als zentrale Figur Giosia Luis aus Ponto Valentino.

Genni

Giosia Luis wanderte 1872 nach Santiago de Chile aus wo er zunächst für die Spiegelfabrik Antonio Maldini & Cia arbeitete. Ihm schien, jedoch, dass er seine Tätigkeit besser auf einem anderen Gebiet ausüben sollte. Er erwarb in Paris die notwendigen Maschinen für eine Schokoladenfabrik und kehrte zusammen mit seinem Bruder Cipriano und zwei Einwohnern von Corzoneso, Luigi Valentini und Evaristo Nodiroli, nach Santiago de Chile zurück. So wurde 1875 die Firma Giosia Luis, Hermano & Cia gegründet, an der später auch seine Landsmänner Valentino Virgilio, Desiderio und Teodoro Genni und Giovanni Jametti aus Ponto Valentino teilnahmen. Die Schokoladenfabrik nahm die Produktion 1884 im grossen Stil auf, expandierte stark und beschäftigte bis zu 65 Arbeiter. 1909 wurde die Fabrik durch einen Brand zerstört. Sie wurde jedoch sofort ausserhalb von Santiago wiederaufgebaut und mit modernen Maschinen ausgerüstet. Die "Chocolat Luis" hatte den Ruf die beste Schokolade Chiles zu sein und wurde besonders in Südchile verkauft.

Verschiedene Faktoren trugen allerdings in der Folge zum Niedergang des Unternehmens bei:
- die starke Konkurrenz
- die Tatsache, dass einige der Schlüsselpersonen sich teilweise aus dem Unternehmen zurückzogen: Giosia Luis, zum Beispiel, der bereits ein beträchtliches Vermögen zusammengetragen hatte, kehrte nach Ponto Valentino zurück wo er seine Villa baute und ihm zwei Söhne, Giosia (1907) und Virgilio (1908) geboren wurden.
Ernesto Jametti - der Tod der früheren Direktoren und Besitzer, 1916 Virgilio Genni, dessen Nachfolge sein Neffe Geremia Bulloni aus Ponto Valentino antrat und 1918 Giosia Luis selber. Sie wurden durch andere Blenieser ersetzt, Teodoro Genni, Riccardo und Ernesto Jametti (alle aus Ponto Valentino), denen es jedoch nicht gelang die Fabrik zum alten Ruhm zurückzubringen. Kurz nach G.Luis starb auch Direktor Bulloni (1921) und nach Austritt der Mitinhaber T. Genni und E. Jametti übernahm die Witwe, Laura Bulloni, die gesamte Direktion und Leitung der Firma. Laura Bulloni heiratete später einen Argentinier und nachdem sich auch ein Blenieser nach dem anderen aus dem Unternehmen zurückzogen hörte die Fabrik auf eine tessiner Firma zu sein. Desiderio Genni, der am ehestes die Fabrik wieder hätte aufbauen können, glaubte nicht an die Fähigkeiten der Nachfolger von Giosia Luis und verfolgte vor seiner Rückkehr nach Ponto Valentino, wo er für einige Jahre sogar Bürgermeister war, andere Tätigkeiten. Wir wissen, dass die Fabrik noch Mitte der 40er Jahre aktiv war, aber wir wissen nicht welches Ende sie schliesslich nahm.

Briefkopf der Schokoladenfabrik

Eine Spur der Fabrik wurde in dem Archiv des chilenischen Handelsverbandes "SOFOFA" gefunden, nach der sie 1926 im Besitz von Genni Jametti & Cia Ltd. war. Der selbe Verband erwähnt auf seinem Internetsite unter Punkt 52 die Schokoladenfabrik als eine Pionierindustrie Chiles, die zudem die wichtige Role blenieser Unternehmer für die industrielle Entwicklung dieses südamerikanischen Landes aufzeigt.

Der Verkauf der Fabrik (wahrscheinlich in den 50er Jahren) an die "Hucke Industrias Alimenticias SAC", eine damals sehr renomierte Marke, konnte die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Firma jedoch nicht aufhalten. Zur Rettung versuchte sie 1980 mit der "Fabrica de Confites y Galletas McKay SA" unter dem Namen "Hucke y McKay" zu fusionieren. Auch diese Fabrik kam in Schwierigkeiten und wurde 1988 von Nestle Chile gekauft. Somit kam nach ca. 100 Jahren die Fabrik von Giosia Luis wieder in schweizer Hände zurück.

Dampfer Tommaso di Savoia

Die Reise von der Schweiz nach Chile führte Giosia Luisa mit dem Schiff von Genua nach Buenos Aires und dann mit dem Zug nach Santiago. Aus Dokumenten der Bulloni Nachkommen geht hervor, dass die Firma auch auf dem Likörsektor mit "Gran fábrica de licores El Porvenir de Iscla Luis y Cia." aktiv war. Nähere Details sind jedoch unbekannt.

schweizer Wohltatigkeitsgesellschaft

Während der Anwesenheit der Blenieser in Chile wurde 1886 in Santiago die schweizer Wohltätigkeitsgesellschaft gegründet, in deren Gründerliste wir neben G.Luis auch andere Tessiner finden: Solcà, Valentini, Vela, Scodelatti, Ceppi, Strozzi e Rossetti. Im Mitgliedsverzeichnis des Jahres 1900 finden wir z.B. Desiderio und Virgilio Genni, Cipriano Luis und Geremia Bulloni. 1893 wurde die "Union Helvetica" gegründet mit G.Luis, L. Valentini, S. und A. Strozzi in der Mitgliederliste. Die Gesellschaft ging 1918 in die "Nueva Sociedad Helvetica, Chile" über in der uns dann D.Genni wiederbegegnet.

Desiderio Genni mit den 4 T&oumlchtern von Cipriano Luis (Luisa, Flora, Ida e Stella)

Als Erinnerung an die südamerikanischen Emigration hinterliess Giosia Luis die Villa Luis, die er nach Rückkehr aus Chile bauen liess und die sich oberhalb seines Heimatortes, Ponto Valentino, befindet. 1937 ging die Villa aus dem Familienbesitz in andere Hände über. Der Bruder Cipriano blieb weiterhin in Santiago de Chile wohnhaft, wo er 4 Töchter hatte, deren Nachkommen teilweise heute noch in Santiago anzutreffen sind, eine davon sogar in demselben Haus in dem einst Cipriano wohnte.



Virgilio Genni Reisetagebuch: Chile 28.Januar bis 5 Februar 2013

Bibliographie
-   Augusto A. Pedrazzini, L'emigrazione ticinese nell'America del Sud, Vol. II, 1962
- Luca Solari, Blenio: una valle a confronto, 1998 ca.
- Federico Schneiter, Die schweizerische Einwanderung in Chile, 1983
- Federico Bruni, I cioccolatieri, 1946
- Weiter interessante Informationen (PDF, 6.5MB) zu der Schokoladenfabrik in Chile
- Die Autoren dieser Webseite möchten sich herzlichst bei Signora Maria Silvia Guidicelli (geb. Bulloni) aus Ponto Valentino für Teile des Materials und einige der Photos bedanken.
Mitglieder der Fabrik (rekonstruiert von Patrik Luis)
1884:   G. Luis, C. Luis, V. Genni, T. Genni, D. Genni, G. Jametti
1916: G. Luis, T. Genni, D. Genni, G. Bulloni, R. Jametti, E. Jametti
1918: T. Genni; D. Genni, G. Bulloni, E. Jametti
1921: L. Bulloni, T. Genni, E. Jametti
1926: L. Bulloni e argentino
Schokoladenfabrik Ein Foto der Schokoladenfabrik (Quelle: Joaquin Blaya Alende, El progreso italiano en Chile; resumen general de las actividades que ha desarrollado en Chile la colonia italiana., 1921)
Für den Fall, dass Sie weiter Informationen/Fotos/ Dokumente zu dieser Geschichte haben würde sich Patrik Luis über Ihre Nachricht freuen.


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